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31.08.2018, 12:09 Uhr
Jahresgespräch mit Ministerpräsident Volker Bouffier
Wiesbaden/Frankfurt am Main, 31. August 2018 - Annährend 50 Vertreterinnen und Vertreter des Bundes der Vertriebenen (BdV) sowie der Landsmannschaften und Spätaussiedlerverbände waren der Einladung zum alljährlichen Treffen in den Büchner-Saal der Staatskanzlei gerne gefolgt.
Ministerpräsident Volker Bouffier (Bildmitte) hieß die Vertreter der Vertriebenen- und Spätaussiedlerverbände in der Staatskanzlei herzlich willkommen.
Der BdV wurde vertreten durch seinen Landesvorsitzenden Siegbert Ortmann, die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LMDR) durch ihren Bundes- und Landesvorsitzenden, Johann Thießen. Auch die beiden Landtagsabgeordneten Irmgard Klaff-Isselmann und Ulrich Caspar nahmen an der „vertrauten Runde“, wie es der Ministerpräsident nannte, teil. In seiner Begrüßungsansprache versicherte der Ministerpräsident, der über seine donauschwäbische Mutter selbst einen Vertreibungshintergrund besitzt, dass den Verbänden der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler in Hessen eine besondere Wertschätzung zuteilwerde. In der Landesregierung hätten diese jederzeit einen verlässlichen und starken Partner an ihrer Seite. Dabei hob er die Arbeit der Landes­beauftragten Margarete Ziegler-Raschdorf hervor und dankte ihr für ihr großes Engagement.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung nutzte der Ministerpräsident die Gelegenheit, mit Rosa Emich und Swetlana Paschenko zwei langjährige Projektleiterinnen des großen in den Jahren 1999 bis 2017 von der LMDR durchgeführten Multiplikatorenprojektes in der Integrationsarbeit für Spätaussiedler zu ehren und ihnen im Namen der Landesregierung seine ausdrückliche Anerkennung für ihren außergewöhnlichen Einsatz auszusprechen. Ehe die Anwesenden von der Möglichkeit, Fragen und Anregungen an die Regierungsmitglieder zu richten, ausgiebig Gebrauch machten, bedankte sich der BdV-Vorsitzende Siegbert Ortmann bei der Landesregierung für das große Wohlwollen und die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Er erinnerte in diesem Zusammenhang nochmals an die Verleihung der BdV-Verdienstmedaille an den Ministerpräsidenten, der für seine Leistungen auf dem Gebiet der Vertriebenenpolitik anlässlich des Hessentages im Mai in Korbach mit der höchsten Auszeichnung des Landesverbandes geehrt worden war. Ministerpräsident Bouffier bedankte sich hierfür noch einmal in aller Form und versicherte, dass ihm diese besondere Würdigung „Ehre und Verpflichtung zugleich“ sei.

Das Gespräch mit den Regierungsmitgliedern war vor allem von Fragen geprägt, die sich mit Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenarbeit befassten. Verstärkt wurde die Frage diskutiert, wie die Jugend für die Thematik von Flucht und Vertreibung der Deutschen infolge des Zweiten Weltkriegs interessiert werden könne. So berichteten mehrere der Anwesenden, dass es trotz gezielter Ansprache kaum gelänge, Schulklassen beispielsweise für den Besuch von Ausstellungen zu gewinnen. Ministerpräsident Bouffier regte an, hier neue Wege zu beschreiten: „Wir müssen in den Schulen ein Bedürfnis erzeugen, sich damit zu befassen.“ Die Landesregierung habe bereits viel unternommen, um das Thema Flucht und Vertreibung der Deutschen im Unterricht fest zu verankern, doch es sei ebenso wichtig, die Neugier auf die Herkunft der Großeltern auch jenseits der Schule zu wecken. „Ich glaube nach wie vor, dass junge Menschen Interesse an Geschichte haben“, gab sich der Ministerpräsident überzeugt. Aus diesem Grund seien hier gerade auch die Heimatvertriebenen gefragt: „Lebenserfahrung ist wertvoll, wenn man anderen daraus berichten kann.“ Durch die Vermittlung ihrer reichhaltigen Erfahrungen könnten die Heimatvertriebenen dazu beitragen, jüngere Menschen für das Thema zu begeistern. Die Aufgabe, die Jugend miteinzubeziehen, um die Erinnerung an die Vertreibung zu bewahren und den Fortbestand des aus der alten Heimat überlieferten Erbes zu sichern, stelle sich ebenso der Politik wie den Vertriebenenverbänden: „Je breiter wir uns dabei aufstellen, desto eher können wir unsere Anliegen vertreten.“ Vor allem dürfe die Deutungshoheit über die Geschichte nicht den Falschen überlassen werden, meinte der Ministerpräsident mit Blick auf den aufkeimenden Populismus in ganz Europa. Kultusminister Prof. Dr. Lorz griff die Anregung aus der Runde, die komplexe Materie von Ostsiedlung und Vertreibung verstärkt im Geschichtsunterricht aufzugreifen, gerne auf.

Er bekundete als „Fan des Fachs Geschichte“ große Sympathien für den Vorschlag und sagte zu, entsprechende Möglichkeiten zu prüfen. Auch wies er auf seine Veranlassung hin, das für das Land Nordrhein-Westfalen entwickelte online abrufbare multimediale Schulbuch „mBook – Russlanddeutsche Kulturgeschichte“ an hessischen Schulen bekanntzumachen. Das bevorstehende Jubiläum der im Herbst 1918 begründeten deutschen Autonomie an der Wolga, aus welcher 1924 eine eigene autonome Republik für die wolgadeutschen Siedler innerhalb des sowjetischen Staatsverbands hervorging, biete einen hervorragenden Anknüpfungspunkt, um das Thema Spätaussiedler an den Schulen aufzugreifen. „Ich bin gespannt, was hierzu im Herbst von den Schulen zurückgemeldet wird.“

Die Geschäftsführerin der Deutschen Jugend aus Russland (DJR), Albina Nazarenus-Vetter, dankte der Landesregierung für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Integrationsarbeit für Spätaussiedler und zeigte sich sehr froh darüber, in Hessen immer einen verlässlichen Ansprechpartner zu finden. Allerdings sei der Eingliederungsprozess noch längst nicht abgeschlossen. Die Spätaussiedlerverbände seien bereit, sich diesen zum Teil auch schwierigen Herausforderungen zu stellen, benötigten hierzu jedoch auch künftig die Unterstützung des Landes. Sozialminister Grüttner versicherte ihr, dass sich die Spätaussiedler immer auf die Hilfestellung aus dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration verlassen könnten: „Wir werden versuchen, unsere gemeinsamen Ziele zusammen zu erreichen.“

Neben dem Bewahren des kulturellen Erbes, ging der Ministerpräsident auf eine weitere wesentliche Aufgabe für die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler in Gegenwart und Zukunft ein. Es komme ihm zufolge heute verstärkt darauf an, nach vorne zu schauen und den Blick auf die Probleme der Gegenwart zu richten. Angesichts der teilweise sehr bedenklichen politischen Entwicklungen in den Herkunftsgebieten in Ost- und Ostmitteleuropa, könnten gerade die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler mit ihren persönlichen Kontakten dorthin als Vermittler wirken. Austausch und Verständigung beginne mit persönlicher Begegnung. „In einer Zeit, in der viele Menschen verunsichert sind, wird die Arbeit der Vertriebenenverbände daher nicht weniger wichtig, sondern sogar wichtiger“, so Volker Bouffier. Er sagte den Anwesenden zu, sich darum zu bemühen, für ihre gesellschaftlich und kulturell überaus wertvolle Arbeit auch künftig solide Rahmenbedingungen im Land zu schaffen und diese auch fortzuentwickeln. Er habe großes Verständnis für die Anliegen der Deutschen aus Russland für eine institutionelle Förderung ihrer Organisation, die Einrichtung eines Kulturreferates wie auch die Einrichtung eines Lehrstuhls für russlanddeutsche Geschichte und werde diese Punkte gerne prüfen.

Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf unterstrich die Bedeutung der gegenseitigen Verständigung durch persönliche Begegnungen. Sie stehe im Hinblick auf den Jugendaustausch im Gespräch mit dem Deutsch-Europäischen Bildungswerk (DEB), einer Tochterorganisation des BdV, um künftig auch Exkursionen von Schulklassen in die Herkunftsgebiete der Heimatvertriebenen zu organisieren. „Es ist sehr wichtig, Schülerinnen und Schüler für den Besuch beispielsweise in den ehemaligen Ostgebieten zu begeistern. Ich werde dieses Thema weiterhin mit Nachdruck verfolgen,“ so Margarete Ziegler-Raschdorf, die sich sehr zufrieden mit dem Gespräch in der Staatskanzlei zeigte. Sie bedankte sich bei Ministerpräsident Bouffier und den beiden Ministern für die kontinuierliche Unterstützung der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler: „Wir haben heute erneut gesehen, wie viel der Hessischen Landesregierung an einer engen Verbindung zu den Vertriebenenverbänden liegt. Einmal mehr wurde deutlich, dass für die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler in unserem Land sehr viel geleistet wird“, so Margarete Ziegler-Raschdorf abschließend.