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22.09.2008, 14:46 Uhr
Sozialministerin Lautenschläger und Landesbeauftragter Friedrich würdigen die Leistungen der Heimatvertriebenen
Zentrale Veranstaltung zum Tag der Heimat 2008 im Biebricher Schloss
Auf der Zentralen Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen in Hessen zum diesjährigen „Tag der Heimat“ rief Sozialministerin Silke Lautenschläger dazu auf, an der gemeinsamen Zukunft in einem friedlichen Europa weiterzubauen. Sie überbrachte die Grüße von Ministerpräsident Roland Koch, der das Anliegen der Vertriebenen, den Tag der Heimat feierlich zu begehen, seit jeher unterstützt habe.
Landesbeauftragter Rudolf Friedrich dankt der Sozialministerin Silke Lautenschläger für die Festansprache und gratuliert ihr nachträglich zum Geburtstag.
 In ihrer Festrede ging die Sozialministerin weiter auf das Motto „ Erinnern und Verstehen“ ein und nannte es wichtig, Wurzeln zu haben, um sich zu erinnern und um zu verstehen. Das diesjährige Leitwort sei tiefsinnig und weitblickend, das uns einmal mehr deutlich mache, dass wir Menschen geschichtliche Wesen sind. Erzbischof Dr. Robert Zollitsch habe dies beim bundesweiten „Tag der Heimat“ in Berlin sehr zutreffend beschrieben. „Zu allen Zeiten haben große Denker darauf hingewiesen, dass wir Menschen und unsere Kulturen sich ihrer eigenen Wurzeln berauben, wenn wir unsere Geschichte und die damit verbundenen Traditionen vergessen. Ein Mensch setzt geradezu seine seelische Gesundheit aufs Spiel, wenn er meint, seine Lebensgeschichte hinter sich abschneiden zu können. Was – das sei am Rande vermerkt – letztlich gar nicht möglich ist. Eine Religion entartet zur Ideologie, wenn sied sich ihres Ursprungs nicht mehr erinnert. Jede Kultur beruht auf Erinnerung. Sie beginnt mit Erinnerung. Sie will freilich immer auch darüber hinaus, ja, sie muss sich weiter entwickeln, aber sie hätte ohne diesen Anfang nicht einmal begonnen“, so der mit der Ehrenplakette des BdV ausgezeichnete Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

In der gut besuchten Rotunde im Biebricher Schloss dankte Sozialministerin Silke Lautenschläger der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, MdB, für ihr engagiertes Eintreten zugunsten eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ in Berlin. Die Bundesregierung habe am 3.9.2008 einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums Berlin errichtet wird. In der jahrelangen kontroversen Debatte habe Erika Steinbach mitten drin gestanden, was nicht immer einfach gewesen sei.

Die Sozialministerin bezeichnete die Charta der Deutschen Heimatvertriebenen von 1950 als Allgemeingut und Richtschnur, denn sie habe bewundernswerte Maßstäbe gesetzt zur Bewältigung des Traumas von Flucht und Vertreibung. Man müsse sich bewusst machen, was es bedeutet, 1950 so zu handeln. „Es war eine große Leistung, direkt nach der eigenen traumatischen Erfahrung den Blick nach vorne zu richten“, so Lautenschläger.

Sozialministerin Lautenschläger ging auch auf das Buch „Kalte Heimat“ von Andreas Kossert und seine Kernthese ein, „wonach die Aufnahme von 14 Millionen nicht zur politischen Dauermalaise wurde und die befürchtete Radikalisierung ausblieb, dafür die Vertriebenen dies mit Verleugnung des Schmerzes und kultureller Selbstaufgabe bezahlten“. Es sei nicht zu bestreiten, dass die Vertriebenen im Westen nicht mit offenen Armen aufgenommen wurden. Umso mehr sei ihnen zu danken, dass sie die Gesellschaft und auch unser Land Hessen mit aufgebaut haben. Man müsse wissen, dass ein Drittel der hessischen Bevölkerung einen Vertreibungshintergrund habe.

Silke Lautenschläger nannte das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Vertreibungen und machte am Beispiel des Völkermordes an den Armeniern deutlich, wie lange es dauert, Wunden, die über viele Generationen schmerzen, zu schließen. Die aktuelle Krise in Georgien zeige, dass es auch im 21. Jahrhundert Flucht und Vertreibung gebe.

Die Sozialministerin bezeichnete abschließend den Tag der Heimat als Möglichkeit, die Geschichte auch für nachfolgende Generationen aufrecht zu erhalten. Es sei wichtig, Erinnerungen wach zu halten, wobei Zeitzeugen heute noch helfen könnten.

Der Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, Rudolf Friedrich, stellte in seinem Schlusswort fest, dass das diesjährige Motto „Erinnern und Verstehen“ uns vor Augen führt, dass die Erinnerung an das bittere Schicksal der Vertreibung den Weg aus den Gräben der Geschichte hin zu Empathie und Gemeinsamkeit mit den östlichen Nachbarvölkern finden könne und müsse. Ministerpräsident Roland Koch habe in seinem schriftlichen Grußwort zum Tag der Heimat ausgeführt, „dass die Erinnerung die Voraussetzung für das Verstehen ist. Der Blick in die Vergangenheit kann dazu führen, dass wir die Zukunft besser gestalten. Nur wer seine Vergangenheit kennt und die Gegenwart wahrnimmt, kann hoffnungsvoll in die Zukunft blicken“, schrieb der Ministerpräsident.

Friedrich betonte, dass es beim Tag der Heimat darum gehe, ein Bekenntnis zur Freiheit, zum Recht, zum Selbstbestimmungsrecht und zum Recht auf Heimat abzugeben. „Am Tag der Heimat erinnern die deutschen Heimatvertriebenen an ihr Schicksal und an ihre Heimat. Der Tag der Heimat soll allen Menschen den Wert von Heimat ins Gedächtnis rufen. Der Tag der Heimat soll auch dazu ermahnen, Vertreibungen weltweit zu ächten und als Mittel der Politik endlich auszuschließen“, so der Landesbeauftragte.

Rudolf Friedrich wies auch auf die enge Zusammenarbeit der Verbände und Organisationen mit der Landesregierung bei der Integration der Spätaussiedler hin. Er sei dankbar, dass der Bund der Vertriebenen, die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, die Landsmannschaft der Wolgadeutschen und die Deutsche Jugend aus Russland großartige Partner seien, die das Land bei der Integrationsarbeit unterstützten.

„Ihre Aufbauleistung, ihre Integrationsleistung und ihr fortwährendes gesellschaftliches Engagement – dies alles ist für unser Land von grundlegender und bleibender Bedeutung. Heimatvertriebene haben unser Bundesland geformt und geprägt“, so Friedrich. Wichtig sei, Vertreibungen weltweit zu ächten und als Mittel der Politik auszuschließen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Jose Ayala Lasso habe bereits 1995 formuliert: „Das Recht, aus der Heimat nicht vertriebenen zu werden, ist ein fundamentales Menschenrecht“. „Dieses Menschenrecht zu fordern, bleibt uns Verpflichtung“, so der Landesbeauftragte abschließend.

Der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Alfred Herold, begrüßte zu Beginn die Ehrengäste und alle Anwesenden. In Bezug auf das Leitwort zitierte er den Dichter Jean Paul: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“. Das Motto sei ein Bekenntnis zur Herkunftsheimat der Vertriebenen. „Erinnerung bedeutet für uns ein Rückbesinnen auf Kindheit und Jugend, auf Geborgenheit, eben auf Heimat“, so Alfred Herold.

Grußworte beim „Tag der Heimat“ 2008 sprachen der Landtagspräsident Norbert Kartmann, die Stadtverordnetenvorsteherin der Landeshauptstadt Wiesbaden, Angelika Thiels, der Oberbürgermeister von Wiesbaden, Dr. Helmut Müller und die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, MdB.

Das Programm der Feierstunde wurde vom Blasorchester Hallgarten, dem Schulchor des Oberstufengymnasiums Hansenberg in Geisenheim unter Leitung von Jochen Doufrain und dem Duo Marianne Nowak (Violine) und Bejamin Weise (Bratsche) musikalisch umrahmt.

 
Die Ehrengäste in der Rotunde des Biebricher Schlosses von links: Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller, Stadtverordnetenvorsteherin Angelika Thiels, Frau Erika Friedrich, Landesbeauftragter Rudolf Friedrich, Sozialministerin Silke Lautenschläger, BdV-Landesvorsitzender Alfred Herold, Frau Irene Herold, BdV-Präsidentin Erika Steinbach, MdB, Landtagspräsident Norbert Kartmann und die Landtagsabgeordnete Gudrun Osterburg.